Kritische Medizin München
Unser erstes Treffen
Am Mittwoch, den 03. Juli 2019, findet das erste Treffen der Kritischen Medizin München statt. Im ersten Aufruf steht: Während das Medizinstudium vor allem naturwissenschaftlich geprägt ist, werden wir im Krankenhaus – wie überall in der Gesellschaft – mit verschiedenen soziokulturellen Fragestellungen, interreligiösem Dialog, aber auch diversen Konfliktsituationen wie Rassismus, Sexismus und sozialer Ausgrenzung konfrontiert. Hiermit kritisch umzugehen und zu hinterfragen, wo sich diese Einflüsse im Gesundheitssystem finden und wie das Gesundheitssystem und wir auf diese Probleme antworten können, ist unser Ziel.
Inwiefern ist Medizin und Gesundheit politisch? Ist Gesundheit ökonomisiert? Beeinflussen Definitionen von Gesundheit und Krankheit die gesellschaftliche Realität? Wie können wir uns für ein solidarisches Gesundheitssystem einsetzen, das allen Menschen entsprechend ihren Bedürfnisse eine gleichwertige medizinische Behandlung auf dem Stand aktueller wissenschaftlicher Erkenntnis ermöglicht?
Diese Fragen sind untrennbar mit der Forderung nach demokratischen Entscheidungsstrukturen sowie sozialen und gerechten Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen verbunden.
In verschiedenen Städten in Deutschland treffen sich kritische Mediziner*innen um diese Themen zu besprechen und zu bearbeiten. Nun ist es auch an der Zeit für eine kritische Medizin in München.
Über 150 Menschen melden sich für das erste Treffen an, über 30 kommen dann auch. Der Bedarf und das Interesse sind in München offensichtlich vorhanden. Was zuerst als lockere und lose Gruppe beginnt, wird mit der Zeit eine feste Gruppe von mal mehr mal weniger aktiven Menschen. Spätestens mit der Planung erster konkreter Projekte stellt sich die Frage nach der Struktur der Kritischen Medizin. Nach langen plenarischen Diskussionen kristallisieren sich zwei Grundsätze heraus. Erstens versteht sich die Gruppe als basisdemokratisch. Alle Entscheidungen entstehen also aus dem Plenum und beruhen auf Mehrheitsentscheidungen. Zweitens entscheidet sich die Kritische Medizin gegen eine universitäre Anbindung an die Fachschaft der Humanmedizin. Das hat mehrere Gründe, allen voran der konkrete Wunsch nach Interdisziplinarität. Außerdem besteht in München die besondere Situation, dass es zwei medizinischen Fakultäten (LMU und TUM) gibt, eine Zuordnung zu beiden oder nur einer wirkt problematisch.
Auf dieser grundsätzlichen Basis bilden sich thematische Arbeitsgruppen. Zu Beginn beschäftigt sich die Gruppe mit einer Vielzahl an Themen. Arbeitsgruppen entwickeln sich zu psychischer Gesundheit im Studium und Beruf, zu Sucht und Substitutionsmedizin, sexueller Selbstbestimmung, Ökonomisierung und Privatisierung im Gesundheitswesen, sowie im weiteren Verlauf zu Rassismus in der Medizin.
Das erste Visionswochenende
Mit einer immer größer werdenden Themenvielfalt, sowie einer wachsenden Vernetzung auf gesundheitspolitischer Ebene in München, entsteht in der Gruppe das Bedürfnis nach klareren Strukturen. Außerdem sprengen viele Debatten oftmals die zwei Stunden Plenum in der Woche, daher entwickelt sich der Plan eines Visionswochenendes. Ende Januar 2020 (glücklicherweise vor Beginn der COVID-Pandemie) verbringen über 25 Mitglieder der Kritischen Medizin ein Wochenende in Augsburg. Dort konkretisieren sich viele Ideen und Wünsche, eine klare Struktur sowie ein Selbstverständnis entsteht.
Mit Beginn der Pandemie werden viele Pläne über den Haufen geworfen. Auf die anfängliche Phase der Unsicherheit folgen im Verlauf des Jahres 2020 neue und konkrete Forderungen der Gruppe, die Missstände im Gesundheitswesen zu verbessern. Trotz der schwierigen Umstände und der Mehrbelastung an Arbeit finden weiterhin regelmäßige Plena digital statt.
Das zweite Visionswochenende
Nach nun fast drei Jahren sind viele ehemalige und ursprüngliche Mitglieder an anderen Punkten in ihrem Leben, haben München verlassen oder sich anderen Themen gewidmet. Insbesondere vor diesem Hintergrund scheint es an der Zeit erneut über die Strukturen der Kritischen Medizin zu sprechen. Unter dem Motto der Nachhaltigkeit trifft sich die aktuell Gruppe für ein sonniges Wochenende in der Nähe des Schliersees. Das Resultat ist eine neuer Arbeitsprozess sowie konkrete Projektideen.
Stand: Juni 2022
Pressestimmen
“Rassismus im Gesundheitswesen: Kein Einzelfall” im Deutschen Ärzteblatt (2022)
“Kritische Medizin München: Sie wollen eine bessere Medizin” in der Süddeutschen Zeitung (2022)