Erfahrungen zu Abtreibungen

Wir wollen einen offenen Diskurs starten, der das Thema enttabuisiert und Betroffene und ihre Entscheidungen hört und unterstützt. Im Folgenden lest ihr zwei Erfahrungsberichte von Betroffenen.

Ich bedecke das Ergebnis mit meiner Hand. Vor ungefähr 60 Sekunden habe ich aufden vorgesehenen Bereich gepinkelt und muss nun abwarten. Alles fühlt sich wie in Zeitlupe an. Ich höre das Blut in meinen Ohren rauschen, meinen Herzschlag pochen. Sonst ist alles ganz still, ich bin alleine. Der Test piept. Schwanger.
Mein erster Gedanke ist: Nein. Ich will das nicht. Es ist nicht richtig. Sowas passiert doch nicht Leuten wie mir. Ich habe verhütet (Kupferkette). Ich google wie oft ein Test ein falsches Ergebnis anzeigt. Aber insgeheim weiß ich, dass es kein Fehler ist. Seitdem meine Periode überfällig ist, weiß ich eigentlich schon was los ist. Ich wolltees nur nicht wahrhaben.
Was jetzt? Ich rufe Mama an. Sie ist gerade einkaufen, das kann ich hören. Ich sage: Mama es ist etwas schlimmes passiert und muss weinen. Irgendwie weiß sie sofort was los ist. Beruhig dich, das kriegen wir hin. Was denkst du? Noch immer weine ich, aber ich weiß trotzdem, dass ich kein Kind bekommen möchte. Ich bin nicht bereit, fühle mich noch selbst wie ein Kind und studiere noch. Ich habe keine Wohnung, ich lebe nicht mit meinem Freund zusammen. Mama sagt, du kannst das, das ist doch nicht so schlimm. Guck, was du jetzt machen musst. Wir legen auf.
Jetzt fällt mir mein Freund ein. Ich rufe ihn an und spreche es sofort aus. Er sag: Oh Gott. Ich sage, ich möchte das Kind nicht, dann lege ich auf.
Alleine in meinem Bett google ich und lese und sehe YouTube Videos. Die junge Frau im Video weint, aber sie bereut nichts.
Als es dunkel ist, ruft mein Freund an. Er sagt, er hat den ganzen Tag geweint. Ich sage, ich möchte jetzt nicht mehr darüber nachdenken. Ich möchte nicht weinen, ich möchte am liebsten schlafen. Einmal den Kopf ausschalten. Morgen muss ich viel telefonieren und Termine ausmachen. Ich lasse ihm keine Chance. Irgendwie sehe ich meine Situation als mein alleiniges Problem an. In meinem Körper passieren Dinge, die ich nicht aufhalten kann. Im Internet lese ich, was Frauen im Mittelalter machen mussten, um eine Schwangerschaft zu beenden.
Drei Tage später habe ich einen Termin bei profamilia zur ‚Schwangerschaftskonfliktberatung‘.  Ich habe Angst. Ich habe mich entschieden, ich möchte mich nicht rechtfertigen. Als ich aufgerufen werde, gehe ich einen Raum mit rundem Tisch. Eine Frau mit grauen Haaren lächelt mich an. Nachdem ich ihr geschildert habe, weswegen ich da bin, unterschreibt sie ein Blatt Papier. Den Zettel (eine Bestätigung, dass man darüber aufgeklärt wurde, was man anstelle eines Schwangerschaftsabbruches tun kann) bekomme ich auch ohne, dass wir miteinander sprechen, sagt sie, aber wenn ich mag, kann ich gerne noch bleiben.
Wir reden eine Stunde und lachen darüber, dass es keine adäquate Verhütung für Männer gibt. Als ich gehe, fühle ich mich bestärkt und eigentlich gut. Wir haben beschlossen, dass ich für den Abbruch zu meinen Eltern fahre und einen Arzt dortausgesucht. Im Moment sind Semesterferien, die wenigen Leute, die ich in meiner Stadt kenne, sind nicht da oder ich möchte nicht mit ihnen über meine Schwangerschaft sprechen.
Ich steige also in den ICE und bin froh bald nicht mehr alleine zu sein. Mein Freund ruft drei Tage später an und will wissen, was jetzt mit meinem Problem ist. Er spricht mit mir, als wäre ich krank. Ich bin wütend auf ihn.
Meine Mama umarmt mich fest, aber wir sprechen nicht wirklich. Sie fragt nur, hast du einen Termin? Die Klinik in meiner Heimatstadt bietet nur operative Verfahren in Vollnarkose an. Das will ich nicht. Ein einziger Arzt in meiner Umgebung bietet einen medikamentösen Abbruch an. Immer wieder mit fremden Leuten am Telefon zusprechen und ihnen zu erzählen, dass ich einen Schwangerschaftsabbruch durchführen möchte, fällt mir schwer. Jedes Mal habe ich Angst vor der Reaktion. Aber jedes Mal spreche ich mit sehr lieben Menschen. Die Arzthelferin sagt: Bitte klären Sie noch die Kostenübernahme. Ein weiterer Anruf. Aber auch der Krankenkassenmitarbeiter hilft mir sofort.
Nun ist alles organisiert. Ich kann durchatmen, mich entspannen. Eine Woche muss ich noch warten, bis es vorbei ist. Doch mein Körper und vor allem die Zellteilungen in meinem Körper wissen das nicht. Alles geht weiter und ich fühle mich als würde ein kleiner Tumor in mir wachsen. Ein irrationaler Gedanke, aber so funktioniert das Gehirn oft.
Endlich ist mein Termin. Ich sitze auf dem Stuhl beim Frauenarzt. Er redet ganz normal mit mir. Small talk. Er will per Ultraschall untersuchen, ob der Test, den ich gemacht habe nicht doch falsch lag. Außerdem hatte ich verhütet mittels Kupferkette und der Arzt wollte die korrekte Lage untersuchen. Aber alles liegt richtig und ich hatte einfach Pech. Er sagt, ich soll mal versuchen Lotto zu spielen. Ganz nebenbei dreht er den Bildschirm des Ultraschalls weg. Ich protestiere und sage, ich möchte sehen, was er sieht. Er hält kurz inne und kommt meinem Wunsch nach. Er erklärt, mir was wir sehen und auf dem Bildschirm erscheint ein kleiner heller Fleck, der hektisch auf und ab hüpft. Das ist alles. Ich fühle mich etwas benommen, aber meine Entscheidung fühlt sich noch immer richtig an.
Danach gehen wir in ein anderes Zimmer. Auf dem Tisch steht ein Glas Wasser und eine Packung Tabletten. Mifepriston. Zuhause habe ich schon gelesen was das Medikament tut und ich bin bereit. Der Arzt drückt die Tablette aus dem Blister und gibt sie mir. Ich muss sie vor ihm schlucken und danach den Mund öffnen. Quasi als Beweis, dass ich sie auch ganz wirklich geschluckt habe. Angeblich gibt es einen Schwarzmarkt. Naja.. was soll man dazu sagen.
Meine Mama holt mich ab, wir fahren in ihr Büro, wo ich versuche zu lernen. Nach ca.3 Stunden habe ich ein komisches Gefühl, so als ob ich meine Tage bekommen würde.Ich gehe aufs Klo und meine Hose ist voller Blut. Ich setzte mich und merke wie stark ich blute. Es dauert ungefähr eine dreiviertel Stunde. Es tut nicht wirklich weh, eher sowie eine starke Periode. Da ich ohne Worte verschwunden bin, kommt meine Mutter und ist bei mir. Sie hilft mir meine Hose zu waschen, immerhin muss ich noch nach Hause und sie lenkt mich ab. Ich bin erleichtert und etwas durch den Wind. Zuhause lege ich mich endlich schlafen und ich fühle mich merkwürdig, aber gut. Am nächsten Tag kommt mein Freund. Ich sage ihn, dass ich alles erledigt habe. Ich weiß selbst nicht, warum ich so kalt zu ihm bin. Irgendwie gebe ich ihm wohl die Schuld dafür, dass ich das alles machen musste. Das ist unfair, aber ich bekomme das Gefühl nicht los.

Meine Abtreibung ist jetzt über 2 Jahre her und meine Gefühle haben sich nicht geändert. Manchmal bin ich schon traurig, aber das ist in Ordnung. Man kann auch traurig sein, ohne zu bereuen und ich stehe noch immer voll hinter meiner Entscheidung. Ich glaube meine Traurigkeit rührt daher, dass man sich vorstellt, was hätte sein können. Oder dass man Angst bekommt, dass das vielleicht das einzige Malsein wird. Aber das wird es nicht sein, ich bin mir sicher. Im Internet habe ich vom Post-Abortion-Syndrom gelesen. Angeblich bereuen eine große Anzahl an Frauen ihre Abtreibung nachdem diese vollzogen ist. Aber mir geht esgut. Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen, jeder der mir auf meinem Weg begegnet ist, hatte Verständnis für mich und ich hatte niemals das Gefühl verurteilt zuwerden.

Da war Ich – Anfang 20, Medizinerin kurz vor dem Abschluss meines Studiums, in einer Partnerschaft mit klaren Vorstellungen von meiner Zukunft: Studium – Doktorarbeit – Assistenzarzt – Facharzt – Praxis – Haus –Familie – in 10 Jahren oder so ähnlich…
Da war der positive Schwangerschaftstest, den ich panisch in den Händen hielt und der Alles umzustürzen schien. Studium? Doktorarbeit?
Überhaupt Ärztin? Familie – Jetzt? Und dann waren da plötzlich viele große Fragezeichen in meinem Kopf, begleitet von einem unguten Gefühl der
Schuld und Befangenheit im Bauch. Ungeachtet der Frage „Was tun?“ – da ich diese Frage so wie viele bereits in den ersten Minuten beantworten konnte – blieb mir vor allem das „Wie“ und „Wie damit umgehen“.
In Deutschland liegt die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche seit Jahren bei circa 100.000 pro Jahr. Somit treiben jährlich 6 von 1000 Frauen (Profamilia) ab. Trotz diesen relativ hohen Fallzahlen, ist und bleibt die Informationslage, aber auch der Umgang mit der Thematik, ein großes dunkles Loch. Geprägt von mangelnder Aufklärung und fehlender Information, sowie verstärkt durch ein aktives Wegschauen unserer Gesellschaft. Gesetzlich geregelt durch die §218 und §219a.
Auch Ich als Medizinerin habe mich zu lange nicht mit der Thematik befasst. Weder privat, noch im Rahmen meines Studiums. Ich erinnere mich an keine Vorlesung zum Thema Schwangerschaftsabbruch, keine Diskussionen, keine „How-To’s“ – Nichts – Nada. Sechs Jahre Studium und trotzdem klafft beim Thema Schwangerschaftsabbruch eine große Lücke an deutschen Universitäten.
Und dann steht man plötzlich auf der anderen Seite, ist nicht mehr Ärztin, sondern Patientin und Alles ist anders. Entscheidungen sind erschreckend emotional und nicht mehr rational. An dieser Stelle möchte ich vor allem betonen, dass eine solche Situation gar nicht so abstrakt ist. Ich habe mich lange mit der Frage gequält: „Warum ich?“ – „Warum passiert mir so ein – ja wie mag man es eigentlich nennen? – ‚Fehler‘, ‚Missgeschick‘?“. Aber auch in Zeiten, in denen die Pille an heranwachsende Frauen wie ein Bonbon herausgegeben wird und ausreichend Verhütungsmittel existieren, wird es trotzdem gleichzeitig immer ungewollte Schwangerschaften geben. Warum? Na weil Kondome eben reißen, die Einnahme der Pille misslingt oder weil man ein Mensch ist und „Fehler“ – auch in der Verhütung – schlichtweg passieren. Es ist wichtig, die Situation zu akzeptieren und nicht Ursachenforschung zu betreiben, die einen ohnehin nur verzetteln und verzweifeln lässt. Doch hat man die Lage für sich persönlich akzeptiert und eine Entscheidung getroffen, merkt man schnell, dass einem weitere Steine in den Weg gelegt werden. Diese Entscheidung ist so individuell, persönlich und emotional, wie der Mensch der hinter dieser Entscheidung steht. Hier gibt es kein richtig oder falsch, sondern nur Dein richtig oder falsch! Und dies vor allem, weil die sexuelle Selbstbestimmung nun mal eine sehr persönliche Angelegenheit und keine Staatsangelegenheit ist.
Ein Schwangerschaftsabbruch läuft in Deutschland wie folgt ab: Befindet man sich noch in dem vorgegebenen Zeitraum von unter 12 Wochen, ist ein Schwangerschaftsabbruch straffrei möglich. Nach der Feststellung der Schwangerschaft erfolgt ein Beratungsgespräch in entsprechenden Einrichtungen. Anschließend folgen weitere drei Tage „Bedenkzeit“, um dann den Eingriff an einem von der Beratungsstelle mitgeteilten Zentrum/ Praxis durchführen zu lassen. Als ich nun meine Entscheidung getroffen hatte, durchforstete ich das Internet nach Beratungsstellen, Zentren, Ärzt*innen. Zur damaligen Zeit befand ich mich in einem Praktikum, bei dem sich alle gewundert haben müssen, warum die Studentin die ganze Zeit so abwesend ist. Sowohl physisch, als auch psychisch. Aber im Kopf war ich nun mal ganz woanders. Ich fühlte mich so, als müsse ich die ganze Zeit etwas verbergen und als würden die Menschen um mich herum, mir meine Schwangerschaft ansehen. Im Nachhinein habe ich mich oft gefragt, warum ich mich durchweg so befangen gefühlt habe. Ich habe am Anfang weder meiner Familie, noch meinen Freunden etwas davon erzählt. Ich habe mich gefühlt, als hätte ich etwas verbrochen und war verdammt alleine mit meiner Entscheidung. Aber das muss nicht so sein – und vor allem müsste es, durch eine Änderung der Gesetzeslage in Deutschland, nicht so bleiben.
 
Aktuell regeln der §218 und §219a des Deutschen Strafgesetzbuchs den Abbruch einer Schwangerschaft. Wer einen Schwangerschaftsabbruch durchführt,wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Findet der Abbruch allerdings vor der 12. Woche nach einer staatlich anerkannten „Schwangerschaftskonfliktberatung“ statt, ist der Eingriff „straffrei“. Ausnahmen bilden Abbrüche mit medizinischer oder kriminologischer Indikation, die auch nach der 12. Woche noch durchgeführt werden können. Allerdings bildeten diese 2019 nur circa 4% der Abtreibungen in Deutschland. Mit der riesigen Last, die ich nicht nur emotional zu tragen hatte, sondern anscheinend auch gesetzlich, begab ich mich in mein Beratungsgespräch. Werde ich jetzt „schuldig“ gesprochen? Wird die Beraterin versuchen mich umzustimmen? Muss ich erklären, warum mir das Ganze widerfahren ist? All das waren Fragen, die mich die Tage vor dem Gespräch innerlich aufgewühlt haben. Ungewollt schwangere Personen werden zu Straftäter*innen, deren Entscheidungsfähigkeit in Frage gestellt wird. Natürlich ist es notwendig, diese Entscheidung sehr bewusst zu treffen, sich seine Zeit zu lassen und sich mit Menschen darüber auszutauschen. Aber muss das unbedingt eine fremde Beraterin, in einem fremden Beratungszentrum, womöglich auch in einer fremden Stadt sein? Ich hätte mir gewünscht, mich von meiner Gynäkologin beraten zu lassen. Die mich seit Jahren kennt, der ich vertraue und die bestenfalls sogar den Eingriff durchgeführt hätte.
Das Beratungsgespräch lief damals zu meiner Erleichterung kurz und schmerzlos. Ich habe mir davor ausgemalt, dass ich nun ein Plädoyer für meine Entscheidung halten müsse. Es gibt in der Tat Berichte aus Beratungsgesprächen, bei denen versucht wurde, die Schwangere für eine Fortführung der Schwangerschaft, zum Wohle des Kindes, zu ermutigen. In meinem Fall hatte ich das Glück, dass die Beraterin meine Wünsche kommentarlos akzeptierte und mir die nötigen Informationen aushändigte. Ich war wahnsinnig erleichtert. In meinem Praktikum glänzte ich mittlerweile nur noch durch Abwesenheit. Und weitere 3 Tage vergingen und dann konnte ich meinen Termin in einem entsprechenden Zentrum wahrnehmen. Ich war zum Glück nicht alleine dort, sondern hatte Unterstützung von meinem Freund. Dennoch hat es mich sehr bewegt, so viele Personen mit ähnlichen Geschichten dort anzutreffen. Jung, alt, alleine, in Begleitung, beschämt, mit Angst im Gesicht, mit Tränen in den Augen – aber auch erleichtert. Es ist schon ein skurriler Ort, so ein Abtreibungszentrum. Man lässt das öffentliche Leben auf der Straße hinter sich, und begibt sich vereint zu seinem „geheimen“ Eingriff. Alle Betroffenen dort durchleben das gleiche Szenario – wenn auch mit anderen Emotionen. Alle Betroffenen dort kommen mit demselben Ziel – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Ich hätte mir gewünscht, dass dieser Ort kein „geheimer“ Ort gewesen wäre. Ich hätte mir gewünscht, dass all die, die so wie ich mit gesenktem Haupt durch die Türen gegangen sind, sich nicht hätten verstecken müssen. Natürlich gibt es immer Ausnahmen. Es gibt Menschen, die gut über ihren bevorstehenden Abbruch sprechen können. Aber Fakt ist leider auch die Meisten können es nicht. Und das liegt selten an den einzelnen Betroffenen, sondern viel mehr an einer gesellschaftlichen Grundeinstellung. An einer Grundeinstellung, in der das Thema tabuisiert und Betroffenen stigmatisiert werden, anstelle von einem offenen Diskurs und Respekt vor der Entscheidung der einzelnen Personen.Wir müssen Hinschauen, statt Wegschauen! Anerkennen, anstatt Verurteilen. Mir wurde erst im Nachhinein bewusst – nachdem ich den Mut hatte, darüber zu sprechen – wie viele Frauen tatsächlich betroffen sind. Erst wenn man seine eigene Geschichte erzählt, tauchen plötzlich viele unterstützende Stimmen auf. „Ich bin sehr erleichtert, dass du das so offen ansprechen kannst. Ich war auch schon mal schwanger, hätte mich aber nie getraut es auszusprechen!“. Die Reaktionen, die man entgegengebracht bekommt sind sehr unterschiedlich – aber eines sind sie sehr häufig: unbeholfen. Ja, Vielen ist es sogar regelrecht unangenehm. Ich war einmal sehr erleichtert, als eine Freundin von mir es abgetan hatte als: „Mach dir nichts draus, das passiert Vielen. Ich kenne auch schon zwei Freundinnen mit einer ähnlichen Geschichte.“ Da kam mir zum ersten Mal die Idee auf von: Es könnte doch Alles so viel einfacher sein. 
Zuletzt möchte ich noch einen kleinen Einblick in den Abbruch an sich geben. Eine Schwangerschaft kann operativ (Vakuumkürettage/Aspiration/Kürettage) oder rein medikamentös durchgeführt werden. Ich entschied mich damals für die medikamentöse Variante. Hierbei wird zuerst eine Tablette (Mifegyne) verabreicht, die die Schwangerschaft beendet. Anschließend wird mit einem weiteren Präparat (Misoprostol) 48 h später, die Abstoßung aus der Gebärmutter indiziert. Die Prozedur an sich ist natürlich alles andere als angenehm. Da gibt es Nichts zu beschönigen. Manche Erfahrungen im Leben, möchte man sich einfach ersparen – und diese zähle ich definitiv dazu. Von kolikartigen Schmerzen geplagt, taumelte ich zwischen Schlafzimmer und Toilette hin und her, bis es endlich geschafft war. Ich war jedoch sehr froh darüber, dass ich nach der Einnahme der ersten Tablette im Zentrum, die medikamentöse Abtreibung im privaten Setting durchführen konnte. Die eigenen vier Wände, schaffen hierbei viel persönlichen Raum. Raum, der in meinem Fall mit Freunden, Spaziergängen, Gesprächen, Filmen – und leider auch Schmerz gefüllt wurde. 
Wäre all das nicht gewesen, wäre ich definitiv ein etwas anderer Mensch. Aber all die Dinge sind passiert – und das ist auch irgendwie gut so. Hinter jeder Entscheidung, stehen individuelle Lebensgeschichten und individuelle Personen. Jede Einzelne von Ihnen mit ihrer Berechtigung für ihre Entscheidung. Diese gilt es zu akzeptieren. Von jedem: Dem Staat, der Familie, dem Arbeitgeber, dem Partner (diese Aufzählung könnte an dieser Stelle noch lange weitergeführt werden). Denn sexuelle Selbstbestimmung ist das Recht von Allen. Ich wünsche mir für die Zukunft ein Kollektiv aus Akzeptanz und Aufklärung. Ein Miteinander und Füreinander. Denn nur das macht es tragbar – und hat erst zu meinem Mut geführt „meine Geschichte“ mit euch zu teilen.

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