Workshop – Kritisches Weißsein am 26.07.2020

Im Rahmen der BlackLivesMatter-Bewegung standen auch wir als Kritische Medizin München auf dem Königsplatz in München. Als Gruppe sind wir uns einig: Rassismus und Diskriminierung prägen den Alltag von nicht-weißen Menschen, insbesondere im Gesundheitswesen. Wir wollen darauf aufmerksam machen und uns für eine Verbesserung in der Lehre und im Berufsalltag einsetzen. Aber welche Rolle und welche Position haben wir dabei als nahezu vollständig weißes Kollektiv? Um diese Fragen anzugehen, haben wir uns Hilfe geholt und einen Einführungsworkshop zum Thema „kritisches Weißsein“ (critical whiteness) organisiert. Geleitet von Andrea Gugger-Diouf – Workshop-Leiterin zu kritischem Weißsein, Antirassimus und interkultureller Kommunikation-, beschäftigten wir uns für vier intensive Stunden mit den Fragen: 

 

Was bedeutet Weißsein? Welche Privilegien sind damit verknüpft? 

Was verstehen wir eigentlich unter Rassismus?

Welche rassistischen Denkmuster und Verhaltensweisen haben wir verinnerlicht und welche kolonialen Sichtweisen setzen sich in ihnen fort?

Wie könnte eine rassismuskritische, weiße Haltung und Praxis aussehen? 

 

Im Laufe des Workshops wurde klar, dass Rassismus ein intrinsischer Teil unserer Gesellschaftsstruktur ist. Rassismen werden sozialisiert und wir sind dadurch alle irgendwo und irgendwann rassistisch. Dies gilt es als aller erstes zu erkennen. Rassismus ist nämlich kein schwarzes Problem, sondern ein weißes – von weißen Menschen erschaffen. Deshalb sehen wir es in unserer Verantwortung, zuallererst eigene rassistische Denk- und Verhaltensmuster im Lebens- und Arbeitsumfeld wahrzunehmen, aufzubrechen und Prozesse der Veränderung zu initiieren. 

 

Im Workshop haben wir uns mit unterschiedlichen Aspekten des Alltagsrassismus auseinandergesetzt. Seien es rassistische Darstellungen des „schwarzen Mannes“ in Kinderbüchern, umgangssprachliche Floskeln wie das „Schwarzfahren“ der MVG, bis hin zu dem nahezu ausschließlich weißen Angebot von Kosmetikartikeln im Drogeriemarkt. Ein wichtiger Teil des Antirassismus ist überhaupt erst ein Gefühl für die Lebensrealität von Schwarzen Menschen und people of color (PoC) zu entwickeln. Viel wichtiger jedoch ist in der Theorie des kritischen Weißseins die Selbstreflexion und die Erkenntnis, dass wir nicht einfach „Menschen“ sind, sondern weiße Menschen. Das heißt, wir sind nicht ausgenommen von der gesellschaftlichen Bestimmung durch ethnische Merkmale. Diese Bestimmung verschafft uns eine Sonderrolle. Dies zu leugnen, heißt, jene rassistischen Hierarchien fortzuschreiben, die wir für überholt annehmen. Der Begriff „color-blindness“ verdeutlicht dies und zeigt sich in der mittlerweile gängigen Aussage, dass alle Menschen doch gleich seien und man selbst als aufgeklärte Person keine Hautfarben „sehe“. Eine solche Betrachtungsweise ist jedoch gefährlich, weil sie strukturelle Machtverhältnisse negiert; für viele Schwarzen Menschen und PoC bedeutet so eine Aussage, dass ihr Gegenüber nicht sieht, nicht anerkennt, welche Anstrengungen damit verbunden sind, in diesem System zu leben.  „Ich sehe keine Farben“ suggeriert damit auch, dass unterschiedliche gesellschaftliche Positionen ausschließlich auf die individuelle Intelligenz oder Motivation eines Menschen zurückzuführen sind. Nicht-weiße Menschen haben jedoch nicht die gleiche gesellschaftliche Stellung. Sie werden grundsätzlich ökonomisch benachteiligt. Das zeigt sich in der Schule, in der Arbeitswelt und auf dem Wohnungsmarkt, sowie im Gesundheitswesen. 

Insbesondere hier wollen wir als Gruppe uns selbst und andere sensibilisieren. Ein erster wichtiger Schritt war dabei unser Einführungsworkshop auf den hoffentlich weitere Seminare und Fortbildungen zu Antirassismus und Kultursensibilität folgen werden.  

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